Am 08.05.2023 gab es auf der Bauausschusssitzung des Kreistages einen Tagesordnungspunkt, über den hier etwas detaillierter berichtet werden soll.
Der Bereich „Tiefbau“ hatte das Thema „Lebenswerte Städte und Gemeinden – Geschwindigkeitsbegrenzung auf Hauptverkehrsstraßen“ auf die Tagesordnung genommen.
Dazu muss man wissen, dass bis dato eine Geschwindigkeitsbegrenzung unterhalb von 50km/h auf Hauptverkehrsstraßen nur in besonders schützenswerten Bereichen zulässig ist. Ein streckenbezogenes Tempo 30 ist demnach gemäß StVO §45 Abs. 9 nur im Bereich von
• Kindergärten
• Kindertagesstätten
• Allgemeinbildenden Schulen
• Förderschulen
• Alten- und Pflegeheimen
• Krankenhäusern
zulässig.
Die Diskussion zu diesem Thema wurde im Wesentlichen auf Wunsch der Kollegin von der ÖDP und den Grünen aufgegriffen.
Dabei beziehen sie sich mit ihrer Forderung auf eine Initiative „Lebenswerte Städte und Gemeinden“, der bundesweit mittlerweile über 500 Städte und Gemeinden beigetreten sind, und die bereits vom Deutschen Bundestag mit dem Titel „Vision Zero“ (=0 Verkehrstote) als Resolution verabschiedet wurde.
Die beigetretenen Kommunen erklären:
1. Wir bekennen uns zur Notwendigkeit der Mobilitäts- und Verkehrswende mit dem Ziel, die Lebensqualität in unseren Städten zu erhöhen.
2. Wir sehen Tempo 30 für den Kraftfahrzeugverkehr auch auf Hauptverkehrsstraßen als integrierten Bestandteil eines nachhaltigen gesamtstädtischen Mobilitätskonzepts und einer Strategie zur Aufwertung der öffentlichen Räume.
3. Wir fordern den Bund auf, umgehend die rechtlichen Voraussetzungen dafür zu schaf-fen, dass die Kommunen im Sinne der Resolution des Deutschen Bundestags vom 17.01.2020 ohne weitere Einschränkungen Tempo 30 als Höchstgeschwindigkeit inner-orts dort anordnen können, wo sie es für notwendig halten.
4. Wir begrüßen ein vom Bund gefördertes begleitendes Modellvorhaben, das wichtige Einzelaspekte im Zusammenhang mit dieser Neuregelung vertieft untersuchen soll (u. a. zu den Auswirkungen auf den ÖPNV, zur Radverkehrssicherheit und zu den Auswir-kungen auf das nachgeordnete Netz), um ggf. bei den Regelungen bzw. deren Anwen-dung nachsteuern zu können.
Weiterhin wurde ausgeführt, dass Radfahrverbände und die Bevölkerung sich vor allem Tempo 30 wünschen würden, wenn:
– mehrere Nahversorgungseinrichtungen an der Hauptstraße liegen (Querungen von Fußgängern, Parkvorgänge, …)
– keine (oder nur mit großen kostspieligen Umbaumaßnahmen) separate Radverkehrsinfrastruktur möglich ist
– höhere Aufenthaltsqualität gewünscht ist
– Lärmreduzierung erzielt werden soll
Letztlich haben alle Fraktionen den Beitritt des Landkreises zu dieser Initiative befürwortet.
Einzige kritische Stimme kam – wieder einmal – von der AfD Fraktion!
Wir stehen dieser Initiative kritisch gegenüber, weil es überhaupt keine Belege dafür gibt, dass durch eine Reduzierung der Geschwindigkeit innerorts auch nur eines dieser Ziele erreicht werden kann. So kann z. B. festgestellt werden, dass viele Unfälle – speziell mit Radfahrern – in Kreuzungsbereichen passieren, wo ohnehin kein Tempo 50 gefahren wird.
Weiterhin ist auch eine Lärmreduzierung nur eine theoretische Annahme, da der Lärm ganz wesentlich von Faktoren beeinflusst wird, die nicht direkt proportional zur gefahrenen Geschwindigkeit sind (wird Tempo 30 z. B. im 2. Gang gefahren, liegt die Drehzahl eines Motors und damit die Geräuschemission höher, als wenn diese Geschwindigkeit in einem höheren Gang gefahren wird).
Auch die höhere Aufenthaltsqualität darf durchaus in Frage gestellt werden, da in unserem Landkreis sehr viele Orte von Durchgangsstraßen durchquert werden. Wird hier das Tempo deutlich reduziert, tritt eine Art Stausituation ein und der nur noch bedingt zügig abfließende Verkehr belastet die Lebensqualität der Anwohner eher, als er sie entlastet.
Unser Vorschlag war stattdessen, dass vor Beitritt zu solch einer Initiative erst einmal wissenschaftlich untersucht werden sollte, ob die angestrebten Ziele in vollem Umfang erreicht werden können. In einem weiteren Schritt kann dann immer noch eine Gesetzesinitiative weitergehende Maßnahmen vorsehen.
Diesem Vorschlag sind die anderen Fraktionen jedoch nicht gefolgt und so wurde letztlich der Beitritt zu dieser Initiative positiv beschlossen.
gez. Jörg Mikszas
Fraktionsvorsitzender, Mitglied im Bauausschuss